2004 | Wettbewerbe / Entwürfe

Hessische Staatsweingüter Kloster Eberbach

Projektbeschreibung

Die unsichtbare Stadt:

Eingedenk des Wissens um die Einzigartigkeit dieses Ortes läßt diese Arbeit sich leiten vom Geiste der Zurückhaltung, des nicht Auftrumpfens und des nicht Hervortretens.

Die Kellerei:
Vielmehr soll eine Minimierung gefunden werden, die sich orientiert an der Idee des Einschmiegens in die natürlichen Gegebenheiten. Daher liegt die gesamte Kellerei einschließlich der Maschinen-/Traktorenhalle unter der natürlichen Geländeformation. Der Idealtyp einer Kellerei ist eine lineare Anordnung. Dies ist jedoch hier nicht möglich, so daß eine U-förmige entwickelt wurde. Die Form der Kellerei ist pragmatisch aus der Geometrie der inneren Ablaufprozesse und der Grundstücksparzelle abgeleitet.

Das Resultat ist also ein unterirdischer Gebäudequader mit einem Lichtgaden an der zum Hof hingewandten Seite. Von hieraus erlebt man unmittelbar die Tiefe und das Innere der Kellerei, die an diesem entscheidenden Ort Offenheit und Großzügigkeit vermittelt und einen Eintritt in das unterirdische Bauwerk definiert und signalisiert. Diese Eingangshalle bietet ein räumlich spannungsvolles dreidimensionales Erlebnis über drei Geschosse.

Der Lichtgaden oder der Himmel und die Erde:
Der Lichtgaden dient zur Belichtung der um ihn angesiedelten Räume und inszeniert gleichzeitig einen Weg in die Tiefe. Die ihn umgebenden Treppen und Podeste ermöglichen – als roter Faden – einen Rundweg in das Innere der Kellerei mit verschiedenen Aussichtspunkten aus verschiedenen Höhenlagen in alle Bereiche der Kellerei, Kelterhalle, Abfüllung, Tank- und Flaschenlager. Am Ende des Weges auf der untersten Ebene begegnet er dem Barrique- und Sektlager sowie dem Flaschenlager für hochwertige Weine – der Schatzkammer also. Die unterste Ebene des Lichtgadens ist als eine mit Pfeilern gerahmte Halle aufgefaßt, die in einem Wasserbecken mündet. Das Wasser dient als Spiegel und somit bilden sich der darüber liegende Himmel und seine Wolken darin ab. Der Himmel wird also unter die Erde geholt. Beim Hinabsteigen in die Tiefe begleitet den Besucher auf seinem Weg das Spiegelbild des Himmels auf den Grund der Kellerei. Der umgekehrte Effekt entsteht nachts, wenn das durch Unterwasserscheinwerfer beleuchtete Wasser sich in der Glasdecke des Lichtgadens spiegelt und von außen wahrgenommen wird. Das Wasser trägt ebenfalls zur Klimatisierung bei und erzeugt eine einzigartige Atmosphäre. Außerdem unterstützt es die Befeuchtung des Flaschenlagers. Somit wird ein scheinbarer Zweckbau zu einem Erlebnisbauwerk. Erinnerungen an Weingrotten, einen Weinsee, an Odysseus, der den Zyklopen in einer Höhle trunken macht, an das "Lob des Schattens" von Tanizaki, an indische Stufen- und Treppenbrunnen und an Piranesis Carceri drängen sich auf – Mythen und Stimmungen, die nicht weiter rational durchdrungen werden wollen.

Die Konstruktion und das Material:
Das Material des Terroirs: Kies und Wasser aus dem Rhein, Zement von Dyckerhoff aus Wiesbaden. Das gesamte unterirdische Gebäude ist als "weiße Wanne" in Beton ausgebildet; die Wände bestehen aus Architekturbeton. Bei

Spannweiten von ca. 21,50 Metern werden alle Decken – abgeleitet aus dem Ingenieurbau – aus vorgespannten, mit einem Bogenstich versehenen Fertigteilen hergestellt. Die Gebäudestruktur ist so entworfen, daß es nur einen Typus Deckenfertigteil in einer einzigen festgelegten Breite bei vier verschiedenen Längen gibt (w/x/y/z). Die längsten Deckenfertigteile sind kleiner als 22 Meter und unterliegen somit der normalen Straßenverkehrsordnung (keine Schwertransporte). Diese Spannweiten ermöglichen eine maximale Flexibilität. So kann das Tanklager sich in Richtung Flaschenlager erweitern, zum Beispiel bei Reduzierung der Palettierung. Sonderbereiche wie der Barriquekeller, das Sektlager und das "Schatzkästchen" sind durch plastisch geformte Wände und Decken als künstliche Grotten in die rationale Betonstruktur eingebettet. Diese bestehen aus Schichten von Beton, die teilweise aus der Erde des Aushubs gewonnen sind und nach dem Ausschalen ausgekratzt werden. Dieses einen lehmähnlichen natürlichen Ausdruck vermittelnde erdbraune Material spielt auch für die Klimatisierung im Inneren eine Rolle und erinnert an die Überreste vergangener Zeiten.

Die oberirdischen Bauwerke:
Die Gebäude um die alte Rebveredelungshalle herum werden abgerissen. Dafür wird eine Kelterhalle entstehen, und die Abdeckung des Lichtgadens wird als Abschluß des Hofensembles nach Süden terrassenartig ausgebildet. Durch den natürlich vorhandenen Niveausprung wird im südlichen, tieferliegenden Teil die Andienung mit den dazugehörigen Aufzügen plaziert. In einem Bereich dient das Glasdach des Lichtgadens als Aussichtsplattform mit einer sanften Erschließung als Geländetreppe vom Hof aus.

Die Traktoren- und Maschinenhalle ist unterirdisch so angelegt, daß – falls sie entfallen sollte – sie und ihre Zufahrt ersatzlos gestrichen werden können und der Hof in diesem Teilbereich dann einen natürlichen Geländeschluß hat. In diesem Falle würde der Bereich der Gabelstapler von seinem jetzigen Standort hinüberwechseln und über der Versektung und dem hochwertigen Flaschenweinlager zu liegen kommen und auch die Entsorgung der Kelterhalle (u.a. der Trester) über die dortigen Aufzüge gewährleisten.

Die Freianlagen:
Die Freianlagen greifen die Formensprache der Gebäude auf und arrangieren spannungsreiche Räume zwischen Alt und Neu. Durch die Höhenstaffelung von Vinothek, Kelterei und Lichtgaden entsteht eine Hofsituation, die teilt und doch – durch Stufen – verbindet. Funktionen sind getrennt, Flächen für Rebenanlieferung bereitgestellt und ein Innenhof für Events gestaltet. Über wenige Stufen erreicht man die alte Schmiede, an der vorbei eine Wegeachse direkt in den Weinberg führt. Hier werden alte Weinanbaumethoden gezeigt und der Blick auf den Rheingau freigegeben.

Die Andienung mit Lkws ist minimiert auf der Südseite des Lichtgadens angeordnet. Durch eine Baumreihe getrennt, beginnt hier auch gleich der Weinberg. Das Wohnhaus wird etwas durch diese Zufahrt eingeschränkt, behält

jedoch eine großzügige, locker eingegrünte Gartenanlage und eine direkte Verbindung zum Hof. Nördlich der Vinothek finden die Besucherparkplätze Raum. Sie sind durch eine Hecke vom Weinberg abgetrennt. Bäume und Sträucher binden die Gesamtanlage in die Umgebung ein und markieren den Standort des Hofs im Weinberg. Sie schaffen lebenswerte Räume und erhöhen die Aufenthaltsqualität