2008 | Wettbewerbe / Entwürfe

SV Areal Wiesbaden-Dotzheim

Projektbeschreibung

Städtebaulicher Ideen- und Realisierungswettbewerb

Copy and Paste

Mit dieser Methode (copy and paste) spiegeln wir Elemente (der Grammatik) des Stadtgrundrisses auf das zu bearbeitende Gelände. Wir versuchen, aus diesen Bausteinen ein Quartier zu entwickeln mit einem Wiedererkennungswert, als „das sich Wiederfinden“ in dieser Stadt, im Sinne einer Inkorporation oder Einverleibung. „Die Puppe in der Puppe“.

1. Der genetische Code dieser Stadt

Wiesbaden ist in seiner städtebaulichen Anlage zu großen Teilen ein Geschöpf des 19. Jahrhun-derts und wurde glücklicherweise im Zweiten Weltkrieg wenig zerstört. Einzigartig in dieser Größe und Lage ist die Kombination einer Raumstadt und einer Gartenstadt. Im Kern bildet sich eine Folge von Blockbebauungen mit gefaßten Straßen, Alleen, Boulevards und Platzfolgen aus. Umgürtet wird diese Kernstadt mit einer Vielzahl von Villen im Grünen.

2. Topographie und Lage im Gefüge der Stadt

In Wiesbaden existieren zwei Typen von öffentlichem Raum

a) in der Kernstadt Alleen, Boulevards und verschieden geometrisch ausgeformte Plätze, recht-eckig, quadratisch, trapezförmig oder gerundet – konzentrisch

b) aus der Gartenstadt heraus entwickeln sich Täler mit Bachläufen als Parks mit Weihern, längsgerichtet – linear

mit dem Ergebnis:

es ermöglicht aus der Raum-Kernstadt über eine domestizierte Natur (Parks) in die freie Land-schaft des angrenzenden Taunus zu gelangen. Ein gleitender Übergang und eine Verzahnung aus dem Stadtraum in den Naturraum. Die reizvollen Taunustäler reichen wie Finger in das heutige Stadtgebiet hinein.

Die orthogonalen und die diagonalen Richtungen

Dabei findet ein Überlagern von dem genordeten, rationalen (klassizistischen) Grundriß der Kern-stadt zu den in Nordwest- und Südost-Richtung laufenden Tälern und Bächen statt, die senkrecht zu dem in Nordost-Südwest-Richtung verlaufenden Taunuskamm stehen. Dabei verschmilzt ein orthogonal gebautes Stadtraster mit einer Diagonalen, aus der Natur entwickelten Ordnung – als weiteres Charakteristikum dieser Stadt Als Rückgrat entwickelt sich aus einem Viertelkreis die Ringstraße.

Das zu bearbeitende Gelände liegt im Kraftfeld dieser Einflußfaktoren.

Das Raumgefüge

Das Quartier besteht prinzipiell aus drei Teilen

1. einem durch zusammenhängende Bebauung mit unterschiedlichen Raumfolgen ausge-bildeten Abschnitt

2. einem durchgrünten mit Stadtvillen charakterisierten Bereich

3. in einem zweiten Bauabschnitt, einem gemischt genutzten (Büros, Kleingewerbe und Wohnen) Teil entlang einer langgestreckten Allee, die aus dem „Zentrum“ unseres Stadt-teils in die angrenzenden Kleingärten und Naturräume führt – begleitet von einem Bach-lauf.

Im Einzelnen:

Von der Von-Linde-Straße aus südlicher Richtung kommend betritt man das Quartier über die Diagonalge. Als Auftakt und Entree wirkt ein oval gestaltetes Wasserbecken als Endpunkt eines durch das Quartier mäandrierenden Bachlaufs – ein Brunnenbecken. Anschließend gelangt man über einen kleinen Rechteckplatz zu einer trapezförmig gestalteten Platzfigur zum Verweilen und Spielen (z.B. Boule oder Petanque). Durch eine „Torsituation“ erreicht man schließlich das Herzstück der Anlage:

Im Zentrum entsteht ein runder Platz, gedeckt mit einem Baldachin als Pavillon, einem „Linden“-Baum in einem kleinen Wasserbecken als Mittelpunkt. Hier entsteht auch ein Ort mit Aufenthalts-qualitäten zum Sitzen und Verweilen, auch bei Regen oder Sonnenschein, beschützt durch das Dach. Im Erdgeschoß des umgürtenden runden Baukörpers befinden sich Gemeinschaftsräume für das gesamte Quartier, wie Versammlungs-, Unterrichts- und Kinderbetreuungsräume, Bür-gersaal, Aula und Teil-VHS.

Dieser als „Raumstadt“ aufgefaßte Quartierbereich erhält als definierte Grenze zu dem sich als „Gartenstadt“ anschließenden Teilstück eine in von Süden in das neue Viertel angelegte Straße, die im Osten durch die Baukante der Townhouses begrenzt ist und im Westen durch eine Raumkante (eine um ein Geschoß hochgelegte Brüstung) mit einer pergolagedeckten Balustrade zum Promenieren, die die Gartenstadt räumlich begrenzt. Diese Straße erhält als Fokus und Endpunkt, als „point de vue“, den Pavillon mit „Quartiersbaum“ und als Rahmen den konkaven Baukörper. Dieser ist im Norden perforiert – einem Tor gleich – an das sich im zweiten Bauabschnitt eine Allee anschließt, die den Übergang in die Natur ermöglicht.

Nahtstellen und Transparenz im übertragenen Sinne

Das halbrunde Gebäude in der Grenzlage vom ersten zum zweiten Bauabschnitt Die konkave Form dient als bergende und rahmende Figur zum Zentrum hin und wirkt gleichzeitig als konvexer Körper – also als sich abweisender und abschirmender zu der benachbarten Maschinenhalle. Im zweiten Bauabschnitt hat dieser konvexe Baukörperteil eine völlig andere Funktion. Da entsteht an der entscheidenden Stelle, d.h. der Nahtstelle beider Bauteile Transparenz im übertragenen Sinne. Transparenz entsteht immer dort, wo es im Raume Stellen gibt, die zwei oder mehreren Bezugssystemen zugeordnet werden können – wobei die Zuordnung unbestimmt und die Wahl einer jeweiligen Zuordnungsmöglichkeit freibleibt (siehe: Trans-parenz ETH Zürich, Institut für Geschichte und Theorie der Architektur Band 4), er ist also in städtebaulicher Hinsicht simultan nutzbar.

Fazit

Elemente und Grammatik einer Raum- und Gartenstadt mit linearer Verknüpfung und Über-führung in die Landschaft.

Das Wohnen

Die unterschiedlichen Wohnformen sollen sich in Gestalt und Lage auf dem Grundstück sinnfällig abbilden. Entlang der Carl-von-Linde-Straße ist parallel dazu das geförderte Wohnen als Alten- und Mehr-generationen-Wohnen angesiedelt. Die Erschließung erfolgt über Laubengänge als Puffer straßenseitig. Der von dort aus kurze und ebene Weg zum Westcenter mit allen möglichen Dienstleis-tungen und Einkaufsmöglichkeiten ist z.B. ideal für ältere Leute. Wie Schubladen schließen sich nach Westen ebenerdige „Hofhäuser“ an, z.B. für junge Familien. Zwiebelschalenartig werden im folgenden Abschnitt Townhouses als flexibel nutzbare Wohnformen ergänzend oder komplementär ausgebildet. Im anschließenden konvex-konkaven Baukörper wird freifinanzierter Mietwohnungsbau vorge-schlagen mit Gemeinschaftsflächen im Erdgeschoß, ausgerichtet auf den runden Platz.

In dem Gartenstadtteil schließlich sind Stadtvillen im Grünen nach Westen ausgerichtet als höherwertige Eigentumswohnungen geplant. Sie bilden auf dem höchstgelegenen Grundstücksteil den städtebaulichen Abschluß der Anlage. Im zweiten Bauabschnitt werden von der Flachstraße Gewerbehöfe für nichtstörendes Kleingewerbe – so wie es sich jetzt im Bestand dort schon angesiedelt hat – über eine tieferliegende Stichstraße erschlossen. Darüber „reitet“ in Nord-Süd-Richtung als „Leitwerk“ und „Trennhügel“ zu dem Westcenter hin ein Bürogebäude, das die sich anschließenden Wohnungen abschirmt.